Glashütte

Die Glashütten in Neustadt am Rennsteig

Am 27. Mai 1698 genehmigte Herzog Ernst zu Sachsen-Hildburghausen, dass die Glasmeister Nikol Schmidt und Georg Heinz zu Altenfeld „am Berge Neustadt“ im Amte Eisfeld eine Glashütte, vornehmlich für Tafelglas, errichten und stellte Ihnen darüber eine Urkunde aus.
Herzog Ernst bekennt durch eine mit dem fürstlichen Siegel und seiner Unterschrift versehenen Urkunde folgendes:
Den Glasmeistern zu Altenfeld, Nicol Schmidt und Georg Heinz, ist auf Ihr Ansuchen gestattet worden, im Amte Eisfeld und im Forste Unter-Neubrunn, am Berge Neustadt, zwischen dem Erla-Fleck und dem Breitenbrunn auf ihre Kosten eine Glashütte, in der vornehmlich Tafelglas gemacht werden soll, zu errichten.
Der Bauplatz für die Hütte sowie das Bauholz für 4 Glasmeister- und 4 Gesellenhäuser, die Aschenkammern, ein Brauhaus und eine Schneidemühle werden ihnen unentgeltlich überlassen.
Nach Räumung des Holzes, das sie zu ihrem Gewerbe verbrauchen können, sollen sie das abgetriebene Land zu Artfeld und Wiese herrichten dürfen. Für dieses Hüttengut im Umfang von 60 Ackern sind je Acker 1 guter Groschen 6 Pfennige als Erbzinns ins Amt Eisfeld zu zahlen. Für jeden weiteren Acker, der darüber hinaus angebaut wird, sind 3 gute Groschen zu entrichten. Vom Oberjägermeister werden 2 Vogelherde angewiesen.
Als jährlicher Tischtrunk sind 60 Eimer Bier tranksteuerfrei. Für jeden weiteren Eimer sind 4 Groschen Steuern zu zahlen. (Das Amt Eisfeld arbeitete mit dem „Coburger Gemäß“, d.h. 1 Eimer = 80 Maß = 73,5136 Liter. Damit waren 4411 Liter steuerfrei.)
Das in der Hütte gebraute Bier darf nicht nach außerhalb des Hüttenbetriebes abgegeben oder verkauft werden.
Die für Viehhaltung benötigte Trift wird vom Forstamt eingewiesen.
Die Hütte ist mit ihren 60 Ackern Hüttengut, den 4 Meister- und den 4 Gesellenhäusern sowie den Aschenkammern und dem Brauhaus von allen Ordinar- und Extraordinarsteuern befreit, nicht aber für denjenigen Besitz, der etwa darüber hinaus bei der Hütte entstehen wird.
Von Michaelis 1698 ab sind für die 12 Stände der Hütte ins Amt Eisfeld jährlich 12 fl. Erbzins zu zahlen.
Im Veränderungsfall werden – auch für einzelne Werkstätten – 5 % Handlohn nebst den ordentlichen Ab- und Zuschreibegebühren gezahlt.
Für jedes Fuder gebrannter Asche (zu 80 Achteln) werden 2 Rtlr. gezahlt.
Die jetzigen und künftigen Hütteninhaber zahlen:
1) für jedes ihnen überlassene Klafter an grünen Glasscheitholz (zu
10 Doppelthüren) 6 gute Groschen;
2) für 1 Klafter dürres Holz 3 gute Groschen;
3) für das wöchentliche Schürholz 14 Groschen;
4) für das zu jeden Haushalt gehörige Leseholz je Wohnung jährlich
1 fl. Waldmiete;
Falls die Schneidemühle zustande kommt, wird hierfür noch ein besonderer Wasser- und Erbzins nebst Steuern festgesetzt.
Die Hütte ist verpflichtet, das zu allen Fürstlichen Residenz- und anderen Gebäuden nötige Tafelglas gegen einen künftig noch zu bestimmenden billigen Preis abzugeben. Diese Lieferungen werden gegen das jeweils der Herrschaft geschuldete Holzgeld aufgerechnet.
Die Fertigung des Tafelglases soll baldigst zustande gebracht und so der Zweck des Hüttenbaues verwirklicht werden.

Wie könnte nun die erste Hütte ausgesehen haben und wie
wurde gearbeitet?
Die erste Hütte mag ein hölzerner Bau mit einem Schindeldach ge-wesen sein, gerade so hoch, dass der aus Tonstein gemauerte Glas-ofen mit seinen 12 Ständen Platz darin fand.
Ob nun der Glasofen von den Glasmachern selbst erstellt wurde oder nicht, auf alle Fälle wurde das Trocknen des Ofens ganz sorgfältig vorgenommen und dauerte viele Tage, ja Wochen.
Die zwölfteilige Einrichtung einer Hütte war damals wirtschaftlich. Ein Stuhl oder Stand wurde auch „Viertel“ genannt. Die Bezeich-nung kann daher stammen, dass an einen Stuhl 4 Personen (Meister, Gehilfe; Formzuhalter und Einträger) arbeiteten.
Als Hauptrohstoff wurde neben Sand und Kalk, Pottasche als Schmelzbeschleuniger eingesetzt. Für die Herstellung von Pottasche wurde anfänglich gute Baumasche verwandt, erst als die Baum-bestände lichter wurden, wurde auch Asche aus faulen Holz und Ästen gewonnen. Ja, selbst Buchenholz und Stöcke mussten herhalten. Die Asche wurde mit Wasser übergossen und ausgelaugt, was auf Grund der organischen Verunreinigungen eine braungefärbte Substanz ergab. Diese Lauge wurde weiter abgedampft und anschließend in Töpfen gebrannt, dies ergab die leicht gräulich oder auch leicht bläulich gefärbte Asche.
Da die letzte Gewinnstufe in Töpfen durchgeführt wurde, hat dieser Rohstoff die Bezeichnung Pottasche erhalten. Wichtig ist noch, dass für die Herstellung von 1 kg Pottasche ca. 1000 kg Holz verbrannt werden musste.
Zu dem in der Hütte stehenden Ofen führte ein tunnelartiger Anheiz-raum, die Glut musste ständig mit dem nachgeschobenen Holz gespeist werden. Im Scheitofen wurde das gespaltene Holz vorher bis zur Zündbarkeit gedörrt. Das Feuer aus dem Ofen zog durch den Kühlofen ab, der über dem Anheizraum lag.
Hohe Schornsteine zum Abzug der Abgase wurden damals nicht benötigt. Der Rauch suchte sich durch Fenster, Türen und das mangelhaft gedeckte Dach seinen Weg. Kein Wunder, dass die Hütten der damaligen Zeit oft nieder brannten.
Jeder Hüttenarbeiter hatte seine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Der Holzspalter spaltete die Scheite in bestimmter Größe und dörrte sie im Scheitofen.
Mit lappenumwickelten Händen warf der Schürer das heiße Feuer-holz Scheit für Scheit in die Glut. Der Schürer war auch verant-wortlich dafür, dass das Glas in den Häfen zum Schmelzen kam. Schon gegen 1 Uhr Nachts begann die Arbeit der Einträger in der Hütte. Diese Burschen hatten schon die Werkstellen vorbereitet und die Glasmacherpfeifen sowie das Modell hervorgeholt und die Kübel, in die, die Holzformen ab und zu getaucht wurden, mit frischem Wasser gefüllt. Es war inzwischen schon kurz nach 2 Uhr geworden, die restlichen Hüttenarbeiter waren alle anwesend.
Nachdem die Abdecksteine von den Öffnungen des Ofens weggenommen waren, holte der Gehilfe mit einem 1 ½ m langen Eisenrohr, der Glasmacherpfeife, unter ständigen Drehen einen entsprechend großen Posten aus dem Hafen und formte ihn unter abwechselndem Aufblasen und Drehen in einen ausgearbeiteten Holzklotz, dem „Model“.
Das so entstandene Glaskölbchen wurde dann dem Vorbläser weitergereicht. Dieser wärmte das Glas nochmals im Ofen auf, blies es zu einer größeren Kugel auf, schwenkte diese unter ständigem Blasen mehrmals hoch und blies das Glas dann unter ständigen Drehen bis das gewünschte Aussehen erreicht war.
Zur Fertigstellung übernahm der Meister das Glas, fügte einen Henkel an oder erweiterte die Öffnung, bis es die gewünschte Gestalt angenommen hatte und wärmte anschließend das Glas nochmals auf, damit es keine scharfen Kanten mehr besaß. Der Einträger brachte es auf einer Schaufel zum Kühlofen, worin das Glas spannungsfrei abgekühlt wurde.
Gegen 6 Uhr brachten die Frauen das Frühstück, das aus Brot, Wurst, Käse und Bier bestand. Auch Branntwein gehörte möglichst zum täglichen Getränk der Glasmacher.
Nach einer ¼ Stunde Pause wurde die Arbeit fortgesetzt, von 7 – 9 Uhr und von 12 – 13 Uhr wurde Rast gehalten. Das Glas musste erst abgestanden sein und die zur Verarbeitung nötige Temperatur wieder erreicht haben. Feierabend war dann erst um 18 oder 19 Uhr, sobald die Häfen leer gearbeitet waren.
Nun wurde vom Meister sehr sorgfältig das Gemenge für den nächsten Tag, d.h. die einzelnen Bestandteile des Grundmaterials für das Glas, zubereitet.
Trockner Sand, Pottasche, gemahlener Kalkstein, Scherben und vielleicht Braunstein wurden einzeln gemessen und lange in dafür angefertigten Holztrögen gemischt.
Kein Fremder wurde in die Zusammenstellung des Gemenges eingeweiht. Diese Kunst wurde meist nur vom Vater auf den Sohn vererbt. Die Gemengesätze für besonders entfärbte Gläser wurden als Geheimnis der einzelnen Meister streng gehütet.
Zur Beseitigung des grünen Farbtones im Glas mag Braunstein gedient haben. Wurde das Glas nicht mittels dieses Braunsteines entfärbt, dann erhielt man das sogenannte „grüne Waldglas“.
Beim Schmelzvorgang wurde vom Schürer und seinen Gehilfen mit Holzschaufeln das Gemenge in kleinen Mengen und bestimmten Abständen in die einzelnen Häfen geschüttet, so dass die oberste Schicht gut nachschmelzen konnte. Darüber hinaus musste der Schürer auch die Glut unterhalten. Jetzt – während der Schmelze – war ein scharfes Feuer mit einer Temperatur von etwa 1400 ° C erforderlich. Die Arbeitslöcher im Ofen wurden je nach dem Stand der Schmelze geöffnet oder geschlossen. Die Glasgalle, die sich auf der Oberfläche des feurigen Glases gebildet hatte musste abgeschabt werden. Die Glasschmelzer gingen recht geheimnisvoll zu Werke, wenn das Glas recht blank oder die Farbe recht schön sein sollte.
Es ist anzunehmen, dass die Neustädter Hütte 2mal jährlich in Betrieb gewesen ist, sie hatte eine Frühjahrs- und Herbsthitze. Nach dem Löschen des Ofens wurde dieser erneuert.
Die Glasmacher gingen anschließend in den Wald, um für die nächste Heizperiode das erforderliche Holz zu schlagen sowie Pottasche zu brennen. Die jungen Gehilfen, die als Holzhauer nicht benötigt wurden, gingen in eine benachbarte Hütte, wenn dort gerade wieder ein Ofen in Betrieb genommen wurde und Arbeitskräfte gebraucht wurden. Sie blieben dann dort einige Wochen, ehe sie wieder nach Neustadt zurückkehrten.
Jeden Sonnabend rechneten die Glasmeister mit ihren Gehilfen ab. Dies geschah nach den eingekerbten Schnitten am Kerbholz. Das Kerbholz bestand aus 2 Teilen, dessen Hälften genau auf- und aneinander passten. Für jede Leistung, vielleicht auch für jeden Arbeitstag oder für jeden Korb Pottasche, wurde in die dabei zusammengelegten Hölzer eine Kerbe eingeschnitten, die bis zur nächsten Abrechnung verblieb. Ein Stäbchen behielt der Meister, das andere behielt der Gehilfe. Nach Auszahlung des Lohnes wurden die Kerben abgeschliffen und die Hölzer wieder verwandt oder man verbrannte die alten und nahm neue.
Bei der damaligen Nachfrage nach Glasgefäßen und Tafelglas hatten die Glasmeister keine Schwierigkeiten mit dem Absatz ihrer Erzeugnisse. Alles das was zum Leben gebraucht wurde, wie Käse, Fisch, Zucker, Korn, Öl, Schnaps, Flachs usw. brachten die Händler und Fuhrleute und nahmen die begehrten Glaswaren mit. So war der Glashandel ein Tauschgeschäft. Die Gehilfen der Glasmeister wur-den daher fast ausschließlich mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs entlohnt.