Die „Heimindustrie“ von Holzdraht, Streichzündhölzchen
und Spanschachteln in Neustadt am Rennsteig
Die Holzdrahthobler
Die ca. 10 Zoll langen Abschnitte aus Fichtenholz schlug man mit einem Beil zu rechteckigen Klötzen. Danach wurden sie auf dem Abrichthobel geglättet. Mit diesem Hobel konnte man auch die Späne für die Schachteln herstellen. Der geglättete Rohling wurde nun auf einer einfachen Hobelbank festgekeilt und mit dem Röhrchenhobel wurde nun Span für Span von allen vier Seiten abgehobelt. Danach war die Oberfläche des Holzklotzes von halbrunden Furchen durchzogen und musste wieder auf dem Abrichthobel geglättet werden.
Waren genügend Holzdrähte vorhanden, wurde ein kleiner Hackstock mit einer daran befestigten Schneidlade auf der Werkbank festgekeilt und die Hölzchen in 2 bis 2,5 Zoll lange Stücke geschnitten.
Die Streichzündhölzerfertigung im „Küchenbetrieb“
Die Zündhölzer wurden auch teilweise in Hausbetrieben, ehe die ersten kleinen Fabriken entstanden, hergestellt. Die Hölzer wurden zu einem Bündel zusammengenommen und an einem Ende mit Bindfaden umwickelt. Dadurch spreizten sich die freien Enden etwas auseinander und konnten beim Tauchen nicht verkleben. Auf der Herdplatte wurden die Hölzer erwärmt und zur Förderung der Brennbarkeit, 1 cm tief in Schwefel oder Stearin getaucht, die weißen Phosphor enthielt. Nach dem Erstarren der Zündmasse mussten die Streichhölzer sofort verpackt werden, da der Phosphor leicht Feuchtigkeit aufnimmt und die Hölzer dadurch ihre Zündfähigkeit verlieren.
Doch bald übernahmen die Heimarbeiter die Arbeitsweise der Fabriken. Hierbei wurden ca. 40 Hölzchen in eine genutete Leiste gelegt. Je 2 Leisten nebeneinander und 15 bis 20 Lagen übereinander wurden sie in einen Rahmen eingespannt. Um Höhenunterschiede auszugleichen, damit vor allem die Hölzchen beim Tauchen nicht aus dem Rahmen fielen, wurden Zwischenlagen aus Pappe eingelegt. Nun konnten auf jeder Seite des Rahmens bis zu 800 Hölzchen gleichzeitig getaucht werden. Die Hölzer blieben zum Trocknen über Nacht in den Rahmen eingespannt und wurden anderntags verpackt.
Diese Heimarbeit erfolgte in den Wohnräumen, wobei Küche und Schlafraum meist eine Einheit waren!
Der Umgang mit Phosphor war äußerst gesundheitsschädlich. Er führte zur Kiefernknochenzersetzung, der Phosphornekrose, und häufig zum qualvollen Tod.
Nicht genug, dass die armen Menschen beim Tauchen am Küchen-herd die gefährlichen Dämpfe einatmeten, wurden dort auch die Mahlzeiten zubereitet, gegessen und die giftigen Zündhölzer verpackt. Im gleichen Raum, der möglichst gut geheizt war, damit die Zündmasse schnell abtrocknete, wurde zwischen den Trocken-gestellen auch noch geschlafen.
Die Verhältnisse in Neustadt am Rennsteig wurden 1855 wie folgt geschildert:
Die wirtschaftliche Lage der kleinen Hausindustriellen war die denk-bar schlechteste. Die Voraussetzung für die Entwicklung der schäd-lichen Hausindustrie bildete eine arme, anspruchslose Bevölkerung, die früher der Herstellung des Zunders verfallen war. Schädlich war die Hausindustrie der Zündhölzchenmacherei deshalb, weil die giftigen Eigenschaften des gelben oder weißen Phosphors, den man für die Zündkappe benötigte, mit nachteiligen Folgen für die Gesundheit der Arbeiter, vor allem der jugendlichen Personen, die den Hauptbestand der ganzen hausindustriellen Arbeiterschaft darstellen, verbunden war. Das beständige Umgehen mit dem giftigen Stoff, das Einatmen der flüchtigen Phosphordämpfe, das unvermeidliche Berühren der Zündkuppen oder gar einzelner Phosphorstückchen, führte zu den traurigen Folgeerscheinungen der Phosphornekrose, einer Krankheit, bei der durch die Einwirkung des Phosphorgiftes die Kieferknochen der betreffenden Personen anfaulten, abfielen oder abgenommen werden mussten. Gerade die kleinen Heimbetriebe aber bildeten den sichersten Herd für die furchtbare Krankheit. Denn Sicherheitsmaßregeln gegen die giftigen Dämpfe, durch die die Folgen sich wenigstens einschränken ließen, kannte man nicht; ja nicht einmal eine Trennung von Arbeitsräumen und Wohnräumen wurde durchgeführt, so dass jedes Familien-mitglied, ob es nun mit tätig war oder nicht, Gefahr lief, dem Leiden anheim zufallen. Das Tunken der Hölzchen wurde vom Manne besorgt, die Frau und Kinder fertigten die Behälter für die Zündhölzer, die ungefähr 70 – 80 Hölzchen fassten. Die jüngsten Mitglieder der Familie, oft Kinder von 5 – 6 Jahren, füllten dieselben mit den inzwischen getrockneten Zündhölzchen.
Wie es im Innern der elenden Hütten, in denen früher die Herstellung eines unserer gewöhnlichsten Gebrauchsartikels erfolgte, ausgesehen haben mag, das kann man sich, wenn man die Schilderungen nachliest, kaum vorstellen.
Die Küche und die eine Stube, die bestenfalls noch vorhanden war, bildeten den Aufenthaltsort der ganzen Familie und wurden als Wohn-, Schlaf- und Arbeitsraum benutzt. Hier in der Küche, wo das Essen zubereitet werden musste, erfüllten die erstickenden widrigen Dämpfe, die von der Schwefelpfanne, der Tunkpfanne und dem Leimbehälter aufstiegen, den ganzen Raum. Reinlichkeit, eine der ersten Vorbedingungen, um die schädlichen Einwirkungen des Phosphorgiftes einzudämmen, wurde selten gepflegt. Überall waren die Spuren der Tätigkeit zu erblicken. In dem eigentlichen Arbeits-raum, der zugleich zum Wohnen diente, sah man Groß und Klein damit beschäftigt, an den rohen Hölzern die Zündkuppe anzubringen und sie dann in die Schachteln oder Tüten zu füllen und zu verpacken. Und nicht nur die eigenen Kinder wurden zu den letzteren Tätigkeiten herangezogen. auch fremde Kinder arbeiteten schon vom 8., 9. Lebensjahre an mit und erhielten dafür ihren kärglichen Lohn, der z.B. für 12 Pack a 50 Patronen 10 Pfg. betrug, so dass sie sich an einem Nachmittag 2-2 ½ Groschen verdienen konnten. Das bei der intensiven Beschäftigung solcher Kinder Schulbesuch und Ausbildung stark litten, ist klar. Die körperliche Entwicklung der jugendlichen Arbeiter trug deshalb die deutlichen Zeichen der Unterentwicklung.“
1832 betrug der Verkaufspreis einer Schachtel mit 60 – 70 Zündhölzern noch 13,5 Pfg, 1868 weniger als einen Pfennig pro Schachtel. Man kann sich vorstellen, wie wenig nach Abzug der Rohstoffkosten noch an Lohn verblieb, bei täglich 12 – 13 Stunden lebensgefährlicher Arbeit. Aber dies war die einzige Möglichkeit, wenigstens einige Pfennige täglich zu verdienen. Die ständig wachsenden Fabriken, Regierungsvorschriften über den Umgang mit Phosphor und endlich das Verbot von Phosphor für die Zündholzfertigung bedeutete das Ende dieses Heimgewerbes.
Die Spanschachtelmacher
Die Kofferschachteln wurden aus Holzspan und Papier hergestellt und dienten dazu, annähernd tausend überall entzündliche Streichhölzer aufzunehmen.
In der Frühzeit der Spanschachtelfertigung wurden die Späne mit Messer und Holzschlägel abgespalten und mussten oft nachgeglättet werden um eine gleichmäßige Dicke zu erhalten.
Den Ziehhobel nahmen meistens 2 Mann, der eine zog und der andere drückte, so wurde Span für Span abgehobelt und eine dritte Person nahm die Späne ab. Für die Verklebung der Schachteln wurden zum Teil Quarkrückstände, mit Kalk vermischt genutzt. Dieses Gemisch wurde von den Kindern so lange gerührt, bis ein zäher Brei entstand. Die Schachtel- und Deckenwände wurden nun überlappend verklebt und danach am heißen Ofen zum Trocknen aufgestellt. Im Sommer war die Temperatur in der engen Stube deshalb fast unerträglich.
Die Deckel und Böden wurden nun eingeklebt und letztere mit einer Mischung aus Leim und Sand als Reibfläche bestrichen.
Auch die Spanschachtelmacher waren nach dem Untergang der Zündholzheimindustrie ohne Aufträge, denn die Zündholzfabriken stellten ihre Schachteln selbst her.